Aus den Vorträgen von Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer der IFH Institut für Handelsforschung, Dr. Klaus Hommels, Gründer von Lakestar und Business Angel, Cyriac Roeding, Gründer von shopkick, Matthew Brown, CEO von echochamber, sowie Kai Diekmann, BILD-Chefredakteur und Herausgeber der BILD-Gruppe, habe ich eine Menge mitgenommen.

Dr. Kai Hudetz referierte zum Thema Commerce 2014-2020 und stellte fünf Thesen auf. So glaubt er, dass …

  1. zukünftig der B2C-Online-Anteil im Non-Food-Bereich bei 25 Prozent liegen wird.
  2. Amazon als die größte Verkaufsmaschine wenig Platz für andere Online-Händler lassen und eine marktbeherrschende Stellung einnehmen wird.
  3. Hersteller zunehmend direkt distribuieren und Zwischenhändler damit vor große Herausforderungen stellt. Dabei seien Vertikalisten im Vorteil gegenüber Multi-Label-Stores und Filialisten haben mehr Chancen als Franchise- und Verbundsysteme.
  4. die Herausforderungen für den Einzelhandel  größer denn je sind, da die Kundenloyalität sinke, aber die Erwartungen gleichzeitig stiegen, der Preiskampf und die Komplexität im Verhältnis Kunde-Handel insgesamt zunehme.
  5. die Diskussion um Cross-Channel sinnlos sei. Es gäbe für den stationären Handel keine Alternative, wollen sie auf das geänderte Kundenverhalten reagieren. Dabei seien Cross-Channel und Kanalexzellenz kein Widerspruch.  Sein Fazit: It’s Cross-Channel und nichts anderes!

Das Thema von Dr. Klaus Hommels war Status of the ecosystem.

Dabei ging es um M&A-Aktivitäten in der Internet-Industrie. Hier machen für ihn  nur die Mutigen und Unkonventionellen den Unterschied, und er riet in Puncto Venture Financing dazu, Mut zu haben, Bewertungen keine zu große Rolle einzuräumen , als Investor eher großzügig zu bewerten und sich an den Amerikanern zu orientieren. Sie nehmen oftmals mehr Geld in die Hand und gehen mutiger vor, während deutsche und europäische Investoren eher zögerlich agieren und schlecht ausgestattet sind. Hommels warnte in diesem Zusammenhang eindringlich davor, in Europa den Anschluss zu verlieren, denn alle spannenden Neuerungen kommen ganz klar aus den USA – und auch China sei Europa um Längen voraus. In einem Beispiel wurde das „make the difference“ besonders deutlich: die Uber-Übernahme durch Google verglichen mit dem Szenario bei MyTaxi. So habe MyTaxi zwar ein Geschäftsmodell mit Riesenpotenzial und einem wahnsinnig guten Gründer, doch statt sich eine große Finanzierung zu holen, waren sowohl er als auch die Investoren zu zögerlich und haben nicht groß genug gedacht. Uber dagegen ist – hoch bewertet – von Google übernommen worden und nun in Verbindung mit Google Maps, mobile services und Googles selbstfahrenden Autos eine zukünftige Bedrohung für Automobilhersteller.
Hommels stellte als eines der wichtigsten Erfolgskriterien die Leidenschaft und Besessenheit der Gründer dar. Um einen Unterschied zu machen, muss das Gründerteam brennen. Geht etwas schief und es muss auf Reset gedrückt werden, muss ein Unternehmer genauso leidenschaftlich wieder von vorne beginnen. Ohne den Mut und die Passion zu verlieren.

Cyriac Roeding sprach über The Future of Retail

Und vertrat dabei eine klare Gegenposition zu Oliver Samwer, der auf dem e-day in 2013 sagte, dass der Handel nur online überleben werde. Roeding meint: Die Zukunft von online ist offline! Allein die Kaufabschlüsse sprechen dafür: So läge die Online-Quote zwischen 0,3 Prozent und 1 Prozent – außer bei Amazon, da seien es etwa 8 Prozent – und die Offline-Quote zwischen  20 Prozent und 95 Prozent. Denn: Die Leute wollen raus aus dem Haus und wünschen sich die Kauferfahrung im Laden. Jedoch haben sie geänderte Ansprüche an den stationären Handel. So läge die Herausforderung für Handelsunternehmen darin, zukünftig ausreichend „Foot Traffic“ zu generieren. Also die Leute in die Läden zu locken. Wichtig sei dabei, dass Händler ihren Kunden Anreize geben, um in ihre Läden zu kommen. Der Händler muss wissen, dass die Kunden da sind. Sie wollen begrüßt werden und zu den für sie passenden Produkten geführt werden. In seinem Cross-Channel-Modell von shopkick (die meistgenutzte Smartphone-App  in den USA mit 10 000 angeschlossenen Shops , die jetzt auch nach Deutschland kommen soll) führt er den Kunden, der ein interessantes Produkt beispielsweise in der Werbung sieht, zum Shop , in dem es das Produkt gibt. Wenn der Kunde in den Laden kommt, erhält er außerdem Informationen, was ihm noch gefallen könnte. Und zwar durch die neue Kombination von Technologien durch eine Push-Benachrichtigungen, selbst wenn die App nicht geöffnet ist. Und dann wird er noch belohnt, indem er „kicks“ sammelt, die er dann einlösen kann.
Sein Fazit: Die Veränderungen im physischen Laden werden in den nächsten 5 Jahren so groß sein wie in den letzten 50 Jahren – und der Handel muss wahnsinnig viel für seine Kunden tun.

The ’Anti Big’ Revolution – trends in the global retail landscape war das Thema von Matthew Brown.

Er ist ebenfalls der Ansicht, dass der stationäre Handel weiterhin eine Zukunft hat. Die Händler müssen aber eine spannende Offline-Welt schaffen und den Kunden immer wieder neue Erlebnisse und Wohlfühlwelten bieten. Dafür müssen sich Shops dynamischer wandeln und innovativer werden. Ein weiterer Aufruf von Brown ist „ push for posh“, die Kunden wollen Schickes und Exklusives, und zwar auch bei Billigmarken. Und bei den hochwertigen Shops reicht es nicht mehr, luxuriöse Handtaschen nebeneinander aufgereiht auf einem glitzernden Regal zu präsentieren.  Hier muss sehr viel mehr Kreativität her. Ein Markenerlebnis erfordert immer wieder Überraschendes. Brown meint, dass insbesondere die Billigmarken schon viel richtig machen, ihre Shops nähern sich den hochwertigen Designer Stores an. Doch was ist mit den Marken aus dem mittleren Preissegment? Das wird derzeit „zerquetscht“. Der Schlüssel zu einem gelungenen Shop laut Brown: Hol dir enthusiastische Experten für die Gestaltung des Shops und beachte drei Dinge:

  1. Curate: Biete deinen Kunden Lösungen und nicht zu viel Auswahl, bei der sie zu viele Entscheidungen treffen müssen.
  2. Craft: Beziehe deine Kunden ein und gestalte etwas speziell für sie, packe Leidenschaft hinzu und mach’ es einzigartig.
  3. Community: Baue tiefe Verbindungen zu deinen Kunden auf, mache sie von deiner Marke abhängig und tritt mit ihnen in eine „retail conversation“.

Im Laufe des Tages präsentierten sich zudem sechs Start-ups in unterschiedlichen Phasen mit Ideen zum Thema Handel oder, im Falle von kiddify, im Non-Profit-Bereich mit einer Idee zum e-learning: Kinder, über die ganze Welt verstreut, lernen voneinander.

Zum Abschluss des Events berichtete Kai Diekmann zum Thema Überleben im digitalen Zeitalter

Dabei sprach er von seinen Erfahrungen aus dem Silicon Valley und was wir davon nach Deutschland übertragen sollten. Es sollte viel mehr Gründermentalität herrschen. Neues erschaffen, dabei Fehler machen und aus ihnen lernen – das bringt ein Unternehmen nach vorn.

Mein persönliches Fazit

Der Tengelmann e-day 2014 war eine extrem gelungene Veranstaltung mit vielen Zukunftsvisionen für die Kenner der Handelsbranche und viel Input für alle. Die Vorträge waren großartig, ich habe viele Trends mitgenommen und einen Riesen-Enthusiasmus bei allen – Referenten und Teilnehmern – erlebt. 2015 sind wir auf jeden Fall wieder dabei.