Herr Cribb, normalerweise jagen Sie als Headhunter Digitalexperten. Jetzt haben Sie einen der prominentesten Digital Manager selbst erlegt. Verzichten Sie nicht auf eine saftige Provision?

Dwight Cribb: Natürlich, aber ich verspreche mir dadurch auch eine schöne Dividende. Harald Fortmann und ich kennen uns seit fast zehn Jahren, die Zusammenarbeit in unserer Personalberatung wird sich für uns beide zweifelsohne lohnen.

Herr Fortmann, Bereits in der Vergangenheit haben Sie Unternehmen Tipps für die Besetzung von Führungspositionen gegeben. Haben Sie nun das Hobby zum Beruf gemacht?

Harald R. Fortmann und Dwight Cribb im Interview mit Kay Städele, W&VFortmann: Das Vernetzen liegt mir. Ich habe mehrmals zu Dwight gesagt: Hör mal, da fällt jetzt eine Provision an. Auch bei Lars Lehne von Google sollte ich mich nochmals melden.

Als Sie damals bei Pixelpark aufgehört hatten, hatten Sie angekündigt, zu einem US-Unternehmen wechseln zu wollen.

Cribb: Ich habe ihm gesagt: Dwight Cribb, das ist amerikanisch…

Fortmann: Tatsächlich hat mir bei Pixelpark das internationale Arbeiten wie bei AOL gefehlt. Die Personalberatung von Dwight Cribb ist zwar in Hamburg beheimatet, allerdings ist die Kundenbasis sehr international. Das wollen wir weiter ausbauen.

Cribb: Mit Harald verstärken wir unsere Kompetenz, den digitalen Wandel –künftig Nukleus der Wirtschaft – in der Gesamtindustrie zu begleiten. Das Internet zählt nicht mehr zur Kür, sondern zur Pflicht. Deshalb wollen wir die Beratung von Unternehmen ausbauen, die sich diesem Wandel stellen und in den Führungsetagen die Digitalkompetenz verstärken müssen.

Übernehmen jetzt also die digitalen Experten die Macht?

Fortmann: Man darf das zwar nie eingleisig sehen, sondern im Zusammenspiel der Kräfte, aber die Unternehmen vom gehobenen Mittelstand bis hin zu den Konzernen müssen ihre digitalen Fähigkeiten personell bis in die Chefetagen verbessern. Das lässt sich auch in den letzten drei Jahren massiv beobachten.

Der Schweizerischen PubliGroupe, einem bisher eher traditionell Print-geprägten Vermarktungshaus, steht seit letztem Jahr mit dem BVDW-Präsidenten Arndt Groth ein Digital-Manager vor.

Cribb: Das ist genau die Entwicklung, die wir unterstützen wollen. Allerdings öffnen sich die Segmente erst unter Druck. Besitzstandswahrung ist ein ganz natürlicher Instinkt und so erleben wir immer noch eine gewisse Abwehrhaltung. Gleichzeitig müssen wir als Berater wissen, welche Art von Manager eine Firma in einer bestimmten Phase verkraften kann: Es macht keinen Sinn, den besten Onliner in einen Vorstand zu setzen, wenn das Unternehmen dafür noch nicht reif ist. Sonst ist das Scheitern vorprogrammiert.

Sind denn die Onliner bereit, aus dem quasi geschlossenen Job-Kreislauf der Internetwirtschaft auszubrechen?

Fortmann: Viele Beschäftigte aus dem digitalen Agentur- und Vermarkterbereich beobachten mit großem Interesse, was auf Kundenseite geschieht. Gerade die Weiterentwicklung und die Größe der Konzerne wirkt reizvoll. Die Onliner wollen jedoch wissen, wo die Unternehmen hinwollen. Firmen müssen deshalb genaue Konzepte entwickeln und trotzdem Freiräume lassen.

Gibt es mittelfristig genügend Web-Experten in Deutschland?

Fortmann: Beim Nachwuchs verbessert sich die Lage: Die Nachfrage ist zwar sehr hoch, aber das Angebot entwickelt sich entsprechend. Allerdings steigt der Bedarf an Führungskräften mit Digitalerfahrung viel stärker als diese nachrücken. Die Lücke, die durch den digitalen Wandel in den traditionellen Segmenten entsteht, kann die Branche in den nächsten Jahren nicht schließen. Allein in der digitalen Wirtschaft sind laut BVDW über 30.000 Stellen offen – und dessen Definition ist mittlerweile viel zu eng, denn der Bedarf der Kundenseite wird kaum einbezogen.

Die Situation wird dadurch verschärft, dass immer neue Player in den digitalen Markt in Deutschland einsteigen.

Cribb: Die Wirtschaftslage begünstigt diese Entwicklung: In Zeiten globaler Finanzkrisen wirken Investitionen in Internet-Start-ups weniger riskant. VC-Runden von über zehn Millionen Euro haben keinen Seltenheitswert mehr. Auch der Zustrom von US-Unternehmen hält weiterhin an.

Treibt die Entwicklung auch die Gehälter nach oben?

Cribb: Die Gehaltsentwicklung, um es vorsichtig zu formulieren, verlief in den letzten Jahren sehr dynamisch. Mittlerweile liegen die Gehälter in Deutschland im internationalen Vergleich sehr, sehr hoch. Das könnte zum Standortnachteil werden und manche Geschäftsmodelle unrentabel machen.

Wohin will sich Dwight Cribb entwickeln?

Cribb: Wir haben seit 1998 Internet-Startups begleitet und US-Firmen beim Weg nach Europa unterstützt. Jedoch wurden wir zuletzt von Unternehmen angesprochen, die wir nie auf der Agenda hatten – aus dem Sanitärbereich, Schreibgeräteproduzenten oder Autohersteller. Es gibt keine digitale Grenzen mehr.