Dabei ist mir häufig bereits nach wenigen Minuten klar, dass der Termin keine Aussicht auf Erfolg hat, dass ich das Produkt nicht kaufen, die Dienstleistungen nicht in Anspruch oder die Bewerbung nicht weiterverfolgen werde. Der Anstand verbietet es mir jedoch, dies sofort offen und klar zu kommunizieren. Stattdessen werde ich Bedenken äußern und dem Gegenüber die Möglichkeit geben, sein Angebot nachzubessern oder mich anders zu überzeugen. Das tue ich, auch wenn ich schon weiß, dass es keine Chance auf Erfolg gibt. Fairerweise muss man sagen, dass ich in vielleicht 5% aller Fälle doch noch einmal meine Meinung ändere. Aber in 95% aller Fälle sind die verbleibenden 45 Minuten reine Zeitverschwendung für mich und für meinen Gesprächspartner.

In den letzten Monaten habe ich immer öfter an diese „New Yorker Unsitte“ gedacht und ich bin zur Einsicht gekommen, dass wir vielleicht doch etwas davon lernen können. Denn mein bisheriges Verhalten trägt zwar zu dem, aus meiner Sicht, sehr angenehmen Business Klima in Deutschland bei. Aber es hat auch mehrere sehr negative Auswirkungen.

1. Weniger Termine

Ich stimme nur wenigen Meetings für ein unverbindliches Kennenlernen zu, weil ich fürchten muss, eine ganze Stunde meines Arbeitstages (also ca. 8%-10%) zu verlieren. Wenn ich wüsste, dass ich ein Meeting auch nach 15 Minuten beenden kann, ohne dass mein Gegenüber verstört und beleidigt ist, dann würde ich viel mehr Terminen zustimmen. Dies gilt insbesondere für Bewerber, die sich einfach einmal initiativ vorstellen möchten. Wenn ich keine aktuelle Vakanz habe, dann reicht es mir, einen kurzen persönlichen Eindruck zu bekommen, auf dem ich aufbauen kann, sobald ich ein entsprechendes Mandat habe.

2. Weichgespültes Feedback

Weil es in unserer Meetingkultur Usus ist zu versuchen, Einwände konstruktiv zu gestalten und dem Gegenüber die volle Stunde zu gewähren, wird das implizite Feedback unscharf. Eine Einschätzung darüber, wie nah man inhaltlich beieinander ist, wie gut ein Produkt, eine Dienstleistung oder eine Bewerbung wirklich sind, fällt dadurch häufig schwer. Ein Meeting, welches kurz dauert und dann höflich beendet wird, mag etwas unangenehm sein, aber es gibt ein klares Feedback, dass der Bedarf des Gegenüber nicht getroffen wurde. So kann man an seiner Präsentation oder seinem Angebot arbeiten und sie verbessern.

3. Lack of speed

Durch lange Meetings fehlt Zeit für andere Themen, was zwangsläufig dazu führt, dass die Unternehmensgesamtgeschwindigkeit abnimmt.

4. Verpasste Chancen

Wenn man lieber ein Meeting weniger als eins mehr macht, dann werden einem Chancen entgehen. Der Selbstschutz in Sachen Zeit führt dazu, dass man meist nur bekanntes oder etabliertes vor lässt. Unbekannte oder schwer einzuschätzende Themen haben wenig Chance gehört zu werden. Dies hemmt Innovation und Weiterentwicklung.

Es sollte möglich sein, den angenehmen Business Ton zu erhalten und dennoch effizienter zu werden. Ich werde mir fortan die Freiheit nehmen, Termine gleich mit einem 30 Minuten Slot zu vereinbaren. So kann ich Termine wahrnehmen, die ich bislang habe ablehnen müssen oder die auf ruhige Zeiten des Jahres warten mussten, die dann doch nie kamen.