Raus aus der Komfortzone

Die Aufgabe des CEOs ist es, die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen. Er muss das Unternehmen daher über eine digitale Transformation in eine neue Existenz überführen. Ein schwieriges Unterfangen, aber möglich. Denn statt der ausschließlichen Digitalkompetenz eines Digital Natives sind hier vor allem die klassischen Tugenden erfolgreicher Manager gefordert: Die Herausforderung zu erkennen, sie anzunehmen, den Mitarbeitern eine Vision zu geben, den Wandel zu gestalten, zu evaluieren und gegebenenfalls zu justieren. Insbesondere erfolgreiche Führungskräfte erfahren durch die Digitalisierung jedoch häufig einen Angriff auf ihr Selbstverständnis.

Sie müssen in Bereiche vordringen, in denen sie sich nicht kompetent fühlen. Sie stoßen auf unbekannte Begriffe und Paradigmen, deren Zusammenhänge sie nicht gelernt haben und anfangs nicht immer verstehen. Dabei haben sie das Bildnis des erfolgreichen Internet-Millionärs als Messlatte vor Augen. Ihr Erfolgsrezept, mit dem sie über Jahre die Karriereleiter emporgestiegen sind, scheint plötzlich wirkungslos. Mit dem Verlassen der Komfortzone droht ihnen das Schicksal, als Ahnungsloser enttarnt zu werden. Diesem Konflikt müssen sich Führungskräfte erst einmal stellen. Die Angst vor einem Gesichtsverlust oder Scheitern auf unbekanntem Terrain führt in vielen Fällen dazu, dass statt Wandel Opposition gemacht wird. Eine natürliche Reaktion, die nur aufgelöst wird, wenn die oberste Führungsebene aufzeigt, dass Lernen und gelegentliches Scheitern belohnt und Verharren und Auflehnen gegen Neues geahndet werden.

Flexibilität im Kopf und Lust auf Neues fördern

Die Aufgabe des CEOs ist es daher, einen geschützten Raum für die Führungskräfte zu erschaffen, in dem es kein Tabu ist, nicht alles zu wissen und in dem ein offener Dialog geschätzt wird. Jedoch muss der Anspruch an die Führungskräfte lauten, dass sie in einer relativ kurzen Zeit verstehen, dass und wie die Digitalisierung das eigene Unternehmen verändert.

Sie sollen nicht die Metamorphose zum programmierenden Manager durchlaufen, jedoch die Bereitschaft zeigen, sich intensiv damit auseinander zu setzen, wie die neuen Markt- und Produktlogiken in einer digitalen Welt interagieren. Wer Altes bewahren will und keine Bereitschaft zum Lernen zeigt, begünstigt den Untergang des Unternehmens und gehört zu Recht nicht befördert.

Wir müssen noch viel lernen

Um ein Umdenken zu erreichen, muss der CEO klare Signale setzen und die Digitalisierung als Prozess der gemeinsamen Veränderung postulieren – ganz nach dem Motto: „Wir geben gemeinsam zu, dass wir noch vieles lernen müssen. Aber: Wir kennen uns in unserem Kerngeschäft am besten aus und lernen das Digitale neu dazu. Mit dem Neuerlernten und den bisherigen Kenntnissen gestalten wir den Wandel.“

Indem er Trends aufzeigt und Initiativen unterstützt, demonstriert der CEO kontinuierlich seine Begeisterung und Offenheit für Veränderung. Auch, wenn dies bedeutet, sich vermeintlich „zum Affen zu machen“. Im ersten Moment führen manche Dinge sicher zur Belustigung der Mitarbeiter; wenn zum Beispiel der Chef nach Berlin reist, um als Hospitant in die dortige Startup-Szene einzutauchen. Dahinter steckt jedoch nicht weniger, als dass er sich als Manager in die Lage derer versetzt, die ihn angreifen. Sein Ziel dahinter: zu verstehen und zu lernen, wie sie es machen. Nicht nur öffnet er seine Augen dafür, mit wie wenigen Mitteln, Regularien und Schranken im Kopf Startups arbeiten. Er hat auch auf seinen Status verzichtet und sich etwas von Menschen sagen lassen, die in einer klassischen Konzernhierarchie nicht auf Augenhöhe mit ihm stehen würden. Diese Erkenntnis muss er auch in seinem Unternehmen durchsetzen. Denn viele Unternehmen sind durch Hierarchien viel zu stark eingeengt und auf den Erhalt des Status quo bedacht.

Tausche Allmachtsphantasien gegen das Du

Wenn der CEO die Position des Lernenden einnimmt und sich sichtbar von den Statussymbolen seiner Position trennt, zeigt er allen Mitarbeitern, dass der digitale Wandel auch einen Wandel in der Unternehmenshierarchie bedeutet. Denn normalerweise verkörpert gerade der CEO all jene Insignien von Macht und Status im Unternehmen, denen die jungen, ambitionierten Manager nacheifern: das größte Eckbüro, bei Veranstaltungen am Haupttisch sitzen und vom chauffierten Wagen in den Vorstandsfahrstuhl steigen, um schnell und von allen separiert, direkt nach oben zu fahren. Es muss dem CEO im Wandel bewusst sein, dass diese Symbole für ein bestimmtes Mindset stehen – nämlich den Erfolg in einem hierarchischen Unternehmen alter Machart. Sie haben eine Vorbildfunktion – jedoch in eine falsche Richtung. Das Mindset der Digitalisierung ist anders: Durch das Lösen von Statussymbolen und das Brechen mit Traditionen und das Öffnen von Kommunikation über alle Ebenen wird der Wandel möglich und eine Veränderung herbeigeführt. Die Symbole der Macht müssen neu definiert werden und im Einklang mit Offenheit, Agilität, Lernen und Veränderung stehen. Denn von oben digital predigen und weiter mit dem Vorstandsfahrstuhl fahren, ist dem Wandel nicht dienlich. Deshalb: Kulturwandel!

Dwight Cribb ist Mitglied der MeinungsMacher von manager-magazin.de. Trotzdem gibt diese Kolumne nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion des manager magazins wieder.

Der Beitrag ist zuerst am 31. Mai 2016 beim manager magazin veröffentlicht worden.