Welchen speziellen Themen müssen sich Aufsichtsräte ab sofort verstärkt widmen?

Ulrike HandelIch sehe kein spezielles Thema, dem man sich ab sofort (!) widmen müsste. Bereits seit über 10 Jahren prägt das Thema „Transformation“ meine Aufsichtsratsagenda. Im Grunde geht es immer darum, notwendige Veränderungen anzustoßen und zu begleiten – manchmal geht es um überfällige dringende Entscheidungen, häufig sind es auch vorausschauende zukunftssichernde Maßnahmen.

Unabhängig vom Kompetenzprofil: Welche persönlichen Eigenschaften sollte ein Aufsichtsratsmitglied mitbringen, um den Herausforderungen der Zeit zu begegnen? 

Wichtig ist dabei eine gewisse Transformationskompetenz, also die Fähigkeit des Aufsichtsrats, den Vorstand bei den Veränderungen zu beraten und zu begleiten. Nicht als Besserwisser, sondern auf Augenhöhe. Dabei sind Erfahrungen als CEO an der Spitze einer börsennotierten Gesellschaft und eine eigene erfolgreiche Transformationshistorie sicher hilfreich. Genauso wichtig ist für einen Aufsichtsrat die Erfahrung bei der Personalauswahl, um mit der richtigen Besetzung und Entwicklung des Vorstands die Transformation zu treiben. Und letztlich hilft ein persönliches Netzwerk ungemein, um auf alle Fragen der Aufsichtsratsarbeit eine Lösung zu finden, die man noch nicht mit eigener Erfahrung gemeistert hat.

Was würdest du Aufsichtsrats-Neulingen mit auf den Weg geben?

Ich würde immer mit einem gründlichen Onboarding starten, um das Unternehmen, die Vorstände und das Geschäft auch wirklich zu verstehen. Am besten direkt vor Ort und persönlich und nicht nur anhand des Geschäftsberichts. Außerdem sollten neue Aufsichtsräte mit der aktuellen Corporate Governance vertraut und sich über ihr Haftungsrisiko bewusst sein.  Und als Aufsichtsrat darf man das Arbeitsaufkommen und die Entscheidungsgeschwindigkeit nicht unterschätzen. Ich hatte im Jahr 2019 allein 18 Aufsichtsratssitzungen im Rahmen meines Mandats. Dazu die Vor- und Nachbereitungen. Daran kann man ablesen, wieviele Veränderungen ein Unternehmen in hoher Geschwindigkeit vorantreibt und als Aufsichtsrat, muss man das Tempo mindestens mithalten, wenn nicht gar proaktiv beschleunigen können.

Gab es in deiner bisherigen Arbeit als Aufsichtsratsmitglied ein Aha-Erlebnis?

Ja. Es gibt keine Frage, die man nicht stellen sollte, wenn sie sich einem aufdrängt. Meine Lieblingsfrage ist immer wieder die Frage nach der aktuellen Strategie des Unternehmens, sofern diese nicht klar und nachvollziehbar erkennbar ist. In vielen Fällen leitet sich dadurch ein Strategieprozess des Vorstands ab, den man als Aufsichtsrat beratend begleiten kann und am Ende haben beide Gremien den Plan für die nächsten 5 Jahre entwickelt.

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